Als Optiker selbstständig machen: Diese Gründerin zeigt wie es geht
Kann man sich als Optikerin oder Optiker überhaupt noch selbstständig machen? Wo es doch so viel Konkurrenz und so viele Ketten gibt? Ja, es geht! Das beweist Jiyoon Yun (30). Sie war Modedesignerin. Heute verkauft sie Brillen - und das sehr erfolgreich.
Zusammen mit ihrem Vater hat sie vor vier Jahren das Brillenlabel YUN gegründet.
Im Interview erzählt die junge Gründerin, warum bei ihr alles viel schneller geht als in deutschen Läden, warum der Markenkern eine große Rolle spielt und warum der Familiengedanke für Unternehmer so wichtig ist.
Frau Yun, Ihr Vater ist seit über 30 Jahren im Brillengeschäft. Vor vier Jahren haben Sie zusammen ein Unternehmen gegründet. War das immer Ihr Wunsch, irgendwann seinen Weg einzuschlagen.
Es war nicht immer mein Wunsch, aber es war der richtige Moment. Ich hatte davon geträumt, mein eigenes Label zu haben, und mein Vater suchte gerade jemanden, der sich um den Aufbau seiner Marke kümmert.
Und dann hat er Sie gefragt?
Ja, genau. Das Geschäftskonzept kam ursprünglich von ihm. Er bereitete die Gründung gerade vor. Ich arbeitete zu der Zeit noch als Modedesignerin. Dann schlug er mir vor einzusteigen, und davon, ein eigenes Label zu haben, hatte ich schon immer geträumt.
Wie haben Sie die Arbeit untereinander aufgeteilt?
Mein Vater kümmert sich um den Betrieb, die Produktion und die Finanzen. Ich bin verantwortlich für alle kreativen Aufgaben, die User Experience, das Design, das Marketing und die Kommunikation.
Was haben Sie schon von Ihrem Vater gelernt?
Wir haben im Unternehmen ja sehr unterschiedliche Aufgaben. Aber er bringt mir seinen Teil nach und nach bei, damit ich mich irgendwann alleine um das Geschäft kümmern kann. Ich habe aber auch viele Dinge von ihm gelernt, die mit dem Geschäft eigentlich nichts zu tun haben.
Was zum Beispiel?
Wie er mit Menschen umgeht. Er kümmert sich um unsere Mitarbeiter, als würden sie zur Familie gehören. Sie sind in einem Unternehmen ja das Wichtigste. Ohne sie kann man nichts machen. Ein Unternehmen ist wie eine kleine Gesellschaft, in der Menschen mit einer gemeinsamen Vision zusammenarbeiten, um das gleiche Ziel zu erreichen. Allerdings haben sie auch einen eigenen Traum und eigene Visionen.
Wie geht Ihr Vater mit diesem Widerspruch um?
Es ist eigentlich ganz einfach. Er versucht, auf seine Mitarbeiter zu hören. Und er macht das gut. Es gelingt ihm jedenfalls, das Unternehmen zu einer geschlossenen Einheit zu formen, in der jeder einzelne Mitarbeiter motiviert an seiner Aufgabe arbeitet. Ich finde das beeindruckend.
Eltern und Kinder haben ja oft unterschiedliche Geschmäcker. Kommt das bei Ihnen auch vor?
Wir wissen beide genau, welche unterschiedlichen Talente wir haben. Ich interessiere mich mehr für kreative Arbeiten und behalte im Auge, wie der Markt und Trends sich entwickeln. Die meisten unserer Kunden sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. Den Geschmack dieser Gruppe kenne ich sehr gut. Ich gehöre ja selbst dazu. Mein Vater respektiert meine Ideen und Entscheidungen, und er versucht mir dabei zu helfen sie umzusetzen.
Über YUN
Wer in Deutschland eine Brille braucht, muss oft wochenlang auf sie warten. Beim koreanischen Brillenlabel YUNan der Rosenthaler Straße in Berlin können die Kunden sie schon nach 20 Minuten mitnehmen. Das Label produziert seine Gläser in einer eigenen Fabrikation in Südkorea.
Eine spezielle Maschine baut die Brille im Laden zusammen. Die Kunden können dabei zusehen. Jiyoon Yun (30) hat das Label im Oktober 2015 zusammen mit ihrem Vater gegründet.
Das Prinzip beim Design und bei der Produktionszeit ist: Minimalismus. Und das soll auch für den Preis gelten. Eine Korrekturbrille mit geschliffenen Gläsern bekommt man bei YUN schon für unter hundert Euro.
Was machen Sie, wenn Sie nicht einer Meinung sind?
Natürlich streiten wir manchmal, aber meistens hört er auf mich (lacht).
Wissen Sie noch, was Sie bei der Gründung Ihres Unternehmens überrascht hat?
Um ehrlich zu sein, mich hat nicht so viel überrascht, weil zu Beginn alles doch ziemlich chaotisch. Wir haben ja das gesamte Unternehmen komplett neu konzipiert und aufgebaut. Es gab sehr oft Situationen, in denen wir Dinge anpassen oder verbessern mussten. Im Grunde gab es fast jeden Tag irgendein Problem, das gelöst werden musste.
Welche Voraussetzungen muss man denn haben, um in Ihrer Branche erfolgreich zu sein?
Man muss einen guten Vater haben (lacht).
Und was macht man, wenn man auf sich alleine gestellt ist?
Dann ist es wichtig, jemanden zu finden, der über die Branche und das Geschäft sehr viel weiß und einem helfen kann, besser zu werden.
Wenn Sie heute zurückschauen: Allein hätten Sie das nicht geschafft?
Ich war schon überzeugt davon, dass ich auf meinem Gebiet, also dort, wo es um Kreativität geht, gut genug bin, um Erfolg zu haben. Aber wenn ich auf die Unternehmensführung im Allgemeinen schaue, vor allem dort, wo es um Qualität geht, dann wäre ich ohne die Hilfe meines Vaters nicht ausgekommen.
In Deutschland kann es passieren, dass man wochenlang auf eine Brille wartet. Bei Ihnen kann man sie nach 20 Minuten mitnehmen. Warum geht das so schnell?
Weil wir das alles sehr gut organisiert haben. Um eine Brille herzustellen, brauchen wir Daten zur Rahmenform, zum Brillenglas und das Rezept. Die Rahmen- und Glasdaten haben wir vorab gespeichert, da wir nur unsere eigenen Rahmen und Gläser ab Werk verkaufen.
Mit unserem System werden die Daten nach einer Augenuntersuchung durch unseren Optiker automatisch in unser System übertragen, und alle Vertriebsmitarbeiter können die Daten an ihrem Platz einsehen. Unsere Mitarbeiter am Schalter können die Rezeptdaten des Kunden überprüfen. Sie schauen, wie dick die Brille sein muss, empfehlen eine Brillenstärke. Und dann beginnt direkt die Produktion.
Wie lange dauert die?
Zwei bis drei Minuten, dann hat die Maschine die Gläser geschnitten. Danach montieren unsere Optiker sie gleich.
Über die Branche und den Markt
Im Jahr 2016 gab es in Deutschland nach Zahlen der Volks- und Raiffeisenbanken etwa 7.500 Augenoptiker mit etwa 11.800 Fachgeschäften. Im gleichen Jahr machte die Branche einen Umsatz von 5,35 Milliarden Euro – durchschnittlich 720.000 Euro pro Unternehmen.
Die Geschäfte sind meistens inhabergeführt und recht klein. Nur etwa jeder 16. Augenoptiker hat mehr als einen Laden. Nur etwa 60 haben mehr als 50 Mitarbeiter, nur 30 bringen es auf einen Jahresumsatz von mehr als 5 Millionen Euro.
Auch bei den Augenoptikern verändert sich der Markt stark. Große Ketten greifen mit günstigen Preisen an. Etablierte lokale Optikerinnen und Optiker suchen nach Nachfolgern.
Das klingt für die Kunden sehr unkompliziert. Aber erfolgreiche Geschäftsmodelle werden oft kopiert. Was unterscheidet Sie sonst noch von der Konkurrenz?
Die Identität unserer Marke.
Was bedeutet das?
Menschen identifizieren sich mit einer Marke, wenn sie ein Produkt kaufen. Nehmen wir an, Sie brauchen eine Brille. Dann gibt es vielleicht einige Marken, an die Sie denken. Nach diesen Produkten suchen Sie. Das Design und die Qualität sind wichtig, aber entscheidend ist, wie die Marke wahrgenommen wird, wie präsent sie im Kopf der Kunden ist. Und da habe ich sehr viel Energie und Leidenschaft reingesteckt – also in die Kernidentität der Marke YUN. Das ist sehr wichtig, denn wenn die Leute nicht an deine Marke denken, werden sie deine Produkte gar nicht zu Gesicht bekommen.
Was genau macht Ihre Marke denn aus?
Der asiatische Minimalismus spielt in unserem Markenethos eine zentrale Rolle. Darauf basiert alles, was wir kreieren – unsere Kampagnenbilder, die Fotos auf unseren Social-Media-Accounts, Zeitschriftenartikel, unsere Online- und auch unsere Offline-Präsenz. Ich denke immer genau darüber nach, was die Marke YUN ausmacht, vom Tonfall bis zum Material, das wir für das Fotoshooting verwenden. Ich bin da akribisch genau, und das lässt unsere Marke ganz anders aussehen als andere. Deswegen sehe ich in anderen Marken auch gar nicht so sehr Konkurrenz. Ich glaube, wir haben alle unterschiedliche Stärken und Talente.
Wie würden Sie die Identität Ihrer Marke mit einem Satz beschreiben.
„Widen your vision!“ Das ist unser Slogan. Und da steckt unsere Idee drin.
Wie verstehen Sie diesen Slogan?
Das englische Wort „Vision“ bedeutet im Deutschen ja zum einen Sehkraft, aber es steht auch für die Fähigkeit, sich die Zukunft vorzustellen. Wir helfen unseren Kunden mit unseren Brillen, besser zu sehen. Wir liefern aber nicht nur Brillen, sondern auch Ideen und ein Lebensgefühl. Deshalb machen wir nicht nur Brillen, sondern auch eine Zeitschrift, das YUN Journal. Darin stellen wir kreative Menschen vor, wir vernetzen sie und bieten unseren Kunden so einen ganz ganz exklusives Erlebnis.
In Deutschland legen Kunden viel Wert auf Qualität. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Brillen diese Qualität haben?
Mein Vater hat über 20 Jahre lang seine eigene Rahmenfertigung geleitet. Auf diesem Gebiet ist er ein absoluter Experte. Außerdem arbeiten nur mit Herstellern zusammen, die wir gut kennen. Und bevor wir bei einem neuen Lieferanten bestellen, schauen wir uns vor Ort die Fabrik an, um zu wissen, dass wir die Qualität bekommen, die wir haben möchten.
Ist das in Ihrer Branche etwas Besonderes?
Ich denke, schon. Vor allem im Netz gibt es viele Brillenhersteller, die ihre Produkte mit hochwertigen Fotos präsentieren – und damit die geringe Qualität verschleiern.
Vor zwei Jahren haben Sie in einem Interview gesagt, dass Sie den asiatischen Markt erschließen möchte. Ist das immer noch Ihr Plan?
Auf jeden Fall. Wir sind immer noch auf der Suche nach einem Ladenlokal in Seoul, das uns gefällt. Aber das ist nicht so leicht.
Woran liegt das?
Der Markt in Seoul ist sehr anspruchsvoll. Die Koreaner nehmen jeden Trend unglaublich schnell auf, und auch technisch ist Korea sehr fortschrittlich. Wir haben festgestellt: Wir brauchen noch etwas Zeit. Aber unser Ziel sind zwei Zentralen – eine in Seoul und eine in Berlin.
Was unterscheidet die Kunden in Berlin von denen in Seoul?
Die Vorlieben der Kunden in Europa und der in Asien sind sehr unterschiedlich. Das liegt bei Brillen auch daran, dass Asiaten und Europäer unterschiedliche Gesichtsformen haben. Asiaten mögen zum Beispiel viel größere Rahmen.
Was unterscheidet sie noch?
Auch der Service ist anders. In Asien sind die Leute in den Geschäften manchmal schon etwas zu nett, aber die Asiaten haben sich dran gewöhnt. Und das müssen auch wir bieten, wenn wir dort unsere Brillen verkaufen möchten.
Ihr Unternehmen ist jetzt vier Jahre alt. Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten vier Jahre aus?
Wir möchten den asiatischen Markt erschließen, und wir hoffen, dass wir unser Geschäft in Seoul dann eröffnet haben. Außerdem arbeiten wir zurzeit daran, den Kauf für unsere Kunden noch einfacher und noch angenehmer zu machen. Das ist im Einzelhandel extrem wichtig geworden, aber es ist auch eine große Chance, sich von anderen abzuheben.
Haben Sie noch einen Tipp für einen Gründer, der gerade ganz am Anfang steht?
Ich glaube, als Gründer sind vor allem zwei Dinge sehr wichtig. Das eine ist: Man muss einen großen Traum haben. Nur, wenn man eine Vision hat, wird das Unternehmen wachsen und eines Tages der Vorstellung immer näher kommen.
Und der zweite?
Man muss sich um seine Mitarbeiter kümmern wie um Mitglieder seiner Familie. Ein Unternehmen ist wie ein Mensch. Es wächst, wenn man es ernährt. Und wenn man seine Mitarbeiter gut behandelt, werden sie der Vision des Unternehmens folgen – auch wenn sie von der eigenen Vorstellung ein bisschen abweicht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Existenzgründung als Optiker: Das sind Ihre drei Möglichkeiten
Optiker als Franchise
Wer ein Optiker-Geschäft eröffnen möchte, kann auf Franchise-Systeme setzen. Beim Franchise erhält man ein zentrales, vorgegebenes Konzept. Für eine gewisse Summe kauft man sich ein und profitiert von günstigen Einkaufsmöglichkeiten und einer bundesweiten Marke. Allerdings sind die Kosten für solche Lizenzen entsprechend hoch. Generell gilt: Wenn Sie kein eigenes Konzept haben oder entwickeln möchten, dann kann Franchise eine interessante Option sein. Hier mehr Infos zu Franchise-Systemen.
Eigenes Konzept
Sie haben Ihren eigenen Kopf, Ihre eigenen Ideen? Dann entwickeln Sie Ihren persönlichen Businessplan. Dazu gehören eine Geschäftsidee, bei der Sie sich fragen, wie Sie sich von anderen Optikern unterscheiden. So wie Jiyoon Yun in unserem Interview. Im nächsten Schritt erstellen Sie einen Finanzplan. Anschließend kümmern Sie sich den Standort und die Finanzierung. Ein eigenes Konzept bedeutet immer viel Arbeit. Aber dafür sind Sie Ihr eigener Herr im Haus. Lesen Sie hier, wie Sie einen Businessplan erstellen.
Optiker übernehmen
Viele bestehende Optiker suchen einen Nachfolger. Die Branche steht – ähnlich wie bei Praxen, Apotheken oder Physiotherapeuten – vor einem Generationenwechsel. Sie können also auch überlegen, ob Sie einen bestehenden Optiker-Betrieb übernehmen. Der Vorteil: Sie haben bereits einen gewachsenen Kundenstamm. Größter Kostenpunkt bei einer Nachfolge ist der Kaufpreis. Erfahren Sie hier, wie Sie eine bestehenden Optiker-Betrieb übernehmen.
Gründung in der Optiker-Branche: Auch das gehört dazu
Standort finden
Die meisten Optiker befinden sich in NRW, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Dort sind zwischen 12 und 20 Prozent aller Unternehmen ansässig. In anderen Bundesländern ist der Anteil der Optikerinnen und Optiker deutlich geringer. Für Ihre Standortsuche sollten Sie weiter ins Detail gehen. Kaufkraft vor Ort, Mietpreisspiegel, Passantenfrequenz und Konkurrenzdichte sind vier wichtige Faktoren.
Marketing planen
Wie gewinne ich Kunden? Klassische Werbung vor Ort ist wichtig. Aber auch Ihre Auffindbarkeit im Netz ist ein entscheidender Punkt. Viele Neubürger, die sich in der Stadt oder der Region noch nicht auskennen, recherchieren übers Netz. Auch Stammkunden informieren sich darüber. Bauen Sie sich eine eigene Website und entsprechende Sichtbarkeit in den Suchmaschinen auf. Mehr über Kundenakquise.